ES1: Standardkriterium 1 (Teil 1)

Standardkriterium 1 (Teil 1 von 2)

  • Die Pflegefachkraft verfügt über aktuelles Wissen zur Dekubitusentstehung sowie über die Kompetenz, das Dekubitusrisiko einzuschätzen. P1 Die Pflegefachkraft beurteilt mittels eines systematischen Vorgehens das Dekubitusrisiko aller Patienten/Bewohner, bei denen eine Gefährdung nicht ausgeschlossen werden kann.

  • Dies geschieht unmittelbar zu Beginn des pflegerischen Auftrags und danach in individuell festzulegenden Abständen sowie unverzüglich bei Veränderungen der Mobilität, der Aktivität oder bei Einwirkungen von externen Faktoren (z. B. Sonden, Katheter), die zur erhöhten und/oder verlängerten Einwirkung von Druck und/oder Scherkräften führen. E1 Eine aktuelle, systematische Einschätzung der Dekubitusgefährdung liegt vor. 

Implementierung
  • Das DNQP betonte in seiner Kommentierung zunächst die Notwendigkeit von aktuellem Fachwissen und lebenslangem Lernen. 

  • Der Zusammenhang zwischen Schulungsprogrammen und dem reduzierten Auftreten von Dekubitalulzera in Pflegeeinrichtungen wird durch die praktische Anwendung von theoretischen Kenntnissen erklärt.

Wichtig
  • Theoretische Kenntnisse über die Entstehung eines Dekubitus sind für alle Pflegefachkräfte unerlässlich: Die Einwirkung von Druck in Form von vertikalem Druck und Scherkräften und der Zusammenhang zwischen Druck und Zeit bedingt einen Sauerstoffmangel mit der Folge des Kollabierens der Kapillargefäße.

  • Eine verminderte Druckverteilungskapazität des Gewebes findet man beispielsweise bei Dehydratation, bei Eiweißmangel, bei Vitaminmangel und bei Stress. Eine veränderte Gewebetoleranz bezüglich eines Sauerstoffmangels liegt bei Ödemen vor, kann aber auch durch Medikamente oder Krankheiten mit vaskulären Veränderungen hervorgerufen werden.

  • Auf den Beginn dieser Schädigung reagiert der Körper normalerweise mit Schmerzen, die zur Entlastung der betroffenen Körperzone durch Lageveränderung führen. Infolge altersbedingter Veränderungen der Haut oder Immobilität kann der Druck-Schmerz-Mechanismus beeinträchtigt sein.

Dekubitusrisiko

Die deutsche Gesellschaft für physikalische Medizin und Rehabilitation benennt verschiedene Risikofaktoren, die zur Druckbelastung führen. 

Mögliche Risikofaktoren: 

 
  • Immobilität (totale Immobilität besteht, wenn der Patient im Schlaf pro Stunde keine einzige Spontanbewegung durchführt) 

  • Zu langes Sitzen ohne Druckentlastung 

  • Bewusstlosigkeit und gravierende Störungen der Vigilanz, z. B. Depression, Katatonie und andere psychiatrische Erkrankungen 

  • Sedierung 

  • Hohes Lebensalter 

  • Neurologische Störungen, z. B. Lähmungen mit Sensibilitätsstörungen

  • Kachexie 

  • Durchblutungsstörungen, vor allem paVK 

  • Exsikkose, Dehydratation, Fieber 

  • Anämie mit einem Hb < 8 g/l 

  • Große chirurgische Eingriffe 

Angeführt wird außerdem die Inkontinenz, wobei nach Ansicht des DNQP kein direkter Zusammenhang zwischen Inkontinenz und Dekubitusentstehung vorliegt, sondern ein Dekubitus indirekt über die durch Hautfeuchtigkeit ausgelöste Mazeration der Haut entsteht. Allerdings ist nicht eindeutig geklärt, welche Faktoren nachweislich eine Dekubitusgefährdung verursachen.

Wichtig
  • Wissenschaftlich belegt ist ein starker Zusammenhang zwischen hoher Pflegebedürftigkeit bzw. reduziertem Allgemeinzustand und dem Dekubitusrisiko. 

  • Zusätzlich ist ein vorhandener oder bereits abgeheilter Dekubitus Grad I ein Warnzeichen für eine Gefährdung. 

  • –> Diese Faktoren sind deshalb Bestandteil der initialen Einschätzung durch die Pflegefachkraft.

Klassifikation des Dekubitus
  • Dekubitalgeschwüre wurden im ursprünglichen Expertenstandard nach W. O. Seiler in vier Grade und drei Stadien eingeteilt. Im aktualisierten Expertenstandard von 2010 wird empfohlen, die internationale Leitlinie des NPUAP National Pressure Ulcer Advisory Panel und des EPUAP European Pressure Ulcer Advisory Panel 2009 als Grundlage der Klassifizierung zu verwenden.

  • Die Klassifizierung sollte vor allem unter dem Aspekt der Druckeinwirkung betrachtet werden, die schon in Kategorie I explizit erwähnt wird. In der Pflegepraxis wird eine Hautrötung jeglicher Ursache als Dekubitus Grad I wahrgenommen, auch dann, wenn diese durch völlig andere Faktoren entstanden ist.

  • Besonders häufig werden Hautirritationen durch Feuchtigkeit, etwa bei der Verwendung von Inkontinenzmaterial, aber auch Pilzinfektionen mit einem Dekubitus verwechselt.

Merke!
  • Nicht jede Hautrötung ist ein Dekubitus und tatsächlich durch Druckeinwirkung oder Scherkräfte entstanden. 

  • Bei der Beurteilung ist es hilfreich zu überdenken, ob ein knöcherner Vorsprung vorhanden ist, der einen Gegendruck auf das Gewebe ausübt, außerdem gibt der Finger-Test genauer Auskunft.

Screening und Risikoassessment
  • Das Fachwissen und die Einschätzungskompetenz der Pflegefachkraft werden von den Experten als wichtiges Kriterium betrachtet. Für Berufsanfänger kann eine Skala eventuell weiter hilfreich sein. Zunächst schätzt die Fachkraft mithilfe ihrer Kompetenz ein, ob eine Gefährdung ausgeschlossen werden kann, im Anschluss folgt eine differenzierte Einschätzung, falls ein Risiko nicht auszuschließen ist.

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