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Geschützt: PDL-Ausbildung: Modul A – Management Kompetenz – PERSONAL

A4.5 Psychologische Grundlagen von Beurteilungen

Lernziele: Nach dieser Lektion...

… bist du dir menschlichen Wahrnehmungsfehlern bewusst und kannst diese entgegenwirken. 

… wirst du immer deinen ersten Eindruck hinterfragen. 

… kannst du Verhalten und Leistung anhand von bestimmten Kriterien nachvollziehbar bewerten. 

Inhaltsverzeichnis dieser Selbstlernlektion

Wahrnehmung und Beurteilung

Beurteilt wird immer menschliches Verhalten in diversen Situationen. Das Verhalten eines Menschen wird bestimmt durch seine Persönlichkeit (Persönlichkeitsmerkmale, Charaktereigenschaften) und durch die konkrete Situation, in der er sich befindet. Wird also ein/e Mitarbeitende/r durch seinen/ihren Vorgesetzten beurteilt, so erfasst diese/r niemals die gesamte Persönlichkeit des/der Mitarbeitenden, sondern immer nur dessen Verhalten in einer bestimmten Situation.

Halo-Effekt

Der Halo-Effekt (dt. Heiligenschein) ist ein Wahrnehmungsfehler, in der eine einzige positive, bekannte Eigenschaft oder Merkmal (Aussehen, Sprache, Stimme) auf eine unbekannte Eigenschaft geschlossen wird. Man könnte auch sagen, dass das positive Merkmal so stark wahrgenommen wird, sodass es andere Eigenschaften überstrahlt

 

Das Gegenteil zum Halo Effekt ist der Horn-Effekt. Wie beim Halo Effekt beeinflusst ein Merkmal unser Urteil –  nur, dass es sich um ein negatives Merkmal handelt. 
Im Kontext der Arbeitszufriedenheit überstrahlt die allgemeine Arbeitszufriedenheit demnach alle Zufriedenheitsurteile ohne objektive Grundlage.

Beispiel 1 

Ein Kandidat erscheint zum Bewerbungsgespräch gut gekleidet und hat gute Manieren. Sofort erscheint er kompetent und qualifiziert.

 

Beispiel 2

Eine Kandidatin erscheint zehn Minuten zu spät zum Bewerbeungsgespräch. Sofort erscheint sie unzuverlässig. 

Weitere Wahrnehmungsfehler

Stereotype: Stereotypen sind vorgefasste Meinungen über bestimmte soziale Gruppen die sich auf Religion, Nationalität, Kultur, Sexualität und Politik beziehen.

 

Projektion: Aus Sympathie oder Antipathie, die sich i. d. R. aus Eigenschaften, die wir an uns selbst mögen oder ablehnen, speisen, entstehen Wahrnehmungsverzerrungen oder Beurteilungsfehler. Merke: Menschen, mit denen wir etwas gemeinsam haben (z. B. Wohnort, Studienort, Arbeitsort, Aussehen, Kleidung, Ausbildung, Abteilung, Überzeugungen, etc.) werden positiver von uns eingeschätzt.

 

Primär-Effekt: Der erste Eindruck bildet sich bereits in wenigen Sekunden. Alle folgenden Wahrnehmungen und Informationen werden so gewertet, dass sie den ersten Eindruck nachhaltig stützen und ins bereits gemachte Bild passen. Der erste Eindruck, den ein Mensch von einem anderen bekommt, wirkt ähnlich wie der Halo-Effekt: andere Eigenschaften werden nicht gesehen oder übersehen.

 

Rezenz-Efffekt / Nikolaus-Effekt: Dem Primäreffekt steht der so genannte Rezenzeffekt gegenüber, bei dem später eingehende Informationen stärkeres Gewicht erhalten. Im Verkauf oder bei Präsentationen nutzt man dies unter dem Grundsatz, dass zuletzt Gehörtes besondere Aufmerksamkeit bekommt. Konkret für die Führungsarbeit: Ereignisse kurz vor einem Personalgespräch wirken stärker auf die Beurteilung als Ereignisse, die länger zurückliegen.

 

Kleber-Effekt: Die Beurteilungs-Geschichte eines Angestellten prägt hierbei die Sicht des Beurteilenden. Wer beispielsweise früher gute Leistungen vollbrachte, kann nicht heute schlechte vollbringen und umgekehrt. 

Situative Beurteilung

Einzelne Mitarbeitende oder einzelne Eigenschaften von ihnen werden stärker „ins Auge fallen“, die aktuelle Situation tritt dabei eher in den Hintergrund. Warum? Die Aufmerksamkeit des Beobachters richtet sich mehr auf die Person und weniger auf die Situation. Ursachen für Erfolg oder Misserfolg, Stärken oder Schwächen werden also einzig oder überwiegend aus der Person des beurteilten Mitarbeiters abgeleitet und nicht angemessen auch aus der Situation.

 

Mache dir also deutlich, ob deine Beurteilung aus der SItuation oder aus deinem Empfinden über die Person stammt. 

 

Mögliche negative Folgen: Dadurch kann jemand in eine Außenseiterrolle gedrängt werden. Für Betroffene ist wirkt sich das negativ aus. Dementsprechend negative dürfte auch die Beurteilung ausfallen. In einer anderen Situation hätte dieselbe Person möglicherweise sehr gute Arbeit leisten und entsprechend beurteilt werden.

Der erste Eindruck

Auch die Wahrnehmung über die Eindrucksbildung (beantwortet die Frage: Welchen Eindruck habe ich von der Person?) führt zu sekundenschnellen Urteilen über die betreffende Person. Warum? Diesem Vorgang liegt zu Grunde, dass wir im Laufe unseres Lebens viele Informationen in Form bestimmter Schemata gespeichert haben, die wir auf ein bestimmtes Stichwort hin automatisch abrufen können.

 

Stell dir vor eine freundlichen Person vor. Welche anderen positiven Eigenschaften würdest du ihr noch zuordnen? 

 

Wahrscheinlich höflich, warmherzig, charmant usw. Hier wird deutlich, dass wir einer positiven Eigenschaft „automatisch“ weitere zuordnen. Das gilt natürlich umgekehrt auch für sogenannte negative Eigenschaften. Auch das kann folglich zu einem nicht zutreffenden Bild über eine Person führen, ohne dass wir uns dessen selbst bewusst sind.

 

Sicher wirst diesen Gedanken von dir weisen, weil du meinst, dass deine Gefühle bei einer Beurteilung keine Rolle spielen. Gefühle spielen im zwischenmenschlichen Bereich immer eine wichtige Rolle, wir sind uns nur dessen meist nicht bewusst.

Schreibst du einer Person gewisse Eigenschaften zu, nur weil sie stark tätowiert ist?
Beurteilung und Selbstdarstellung

Ein weiterer wichtiger Faktor bei der Beurteilung ist die Selbstdarstellung der Beurteilten. Bisher wurde untersucht, nach welchen Gesichtspunkten sich Beurteile ihre Meinung bilden.

 

Die Beurteilten versuchen natürlich, auch im entsprechenden Licht dazustehen. Wir passen uns unserem/unserer Gesprächspartner/in und der Situation an und versuchen, den Erwartungen zu entsprechen, die man an uns stellt. Das wird besonders bei Einstellungsgesprächen deutlich. Hier versuchen die Bewerber/innen die Rolle zu spielen, die laut Stellenbeschreibung / Anforderungs-profil erwartet wird. Die eigene Selbstdarstellung wird dabei mehr oder weniger bewusst und unbewusst gesteuert. 

 

Der Versuch, den Eindruck auf andere Menschen zu steuern, darf nicht vorschnell abgewertet werden. Bei einer Vielzahl von Aufgaben ist die Fähigkeit, den Eindruck auf andere zu steuern, Voraussetzung für deren Erfolg. Das gilt vor allem für Tätigkeiten, die im direkten Kontakt zu Menschen stehen, z. B. im Verkauf, Vertrieb oder bei Führungstätigkeiten. Je mehr die nach außen getragenen Eigenschaften unseren Persönlichkeitsmerkmalen entsprechen, desto weniger müssen wir unsere Rolle spielen und umso überzeugender wirken wir auf andere Menschen (Authentizität).

Bewertung von Verhalten und Leistung

Hierzu ist ein Maßstab nötig, an dem sich Verhalten und Leistung messen lassen. Auch das hört sich einfacher an, als es in der Praxis zu verwirklichen ist. Eine Möglichkeit besteht darin, dass aufgrund der bisherigen Erfahrungen ein bestimmtes Leistungsniveau erwartet wird. Die Erwartungshaltung wird auch dadurch beeinflusst, welche Maßstäbe der Beurteilende an sich selbst anlegt. Entsprechend der bisher gemachten Erfahrungen werden die Leistungen positiv oder negativ beurteilt. Hilfreich kann auch eine Norm sein, die die Anforderung bemisst und die anschließende Bewertung erleichtern kann, sofern die Anforderungsnorm realitätsnah und sinnvoll ist.

Beurteilung und Anforderungsnorm

Die Gesamtleistung des Mitarbeiters wird in verschiedene relevante Merkmale unterteilt, die anschließend beurteilt werden sollen.

  • Welche Qualifikation bringt der Mitarbeiter mit?

  • Welche Qualifikation hat er seit dem letzten Beurteilungsgespräch erworben?

  • Wie ist der aktuelle Stand?

  • Sorgfalt (Qualität)

  • Güte (Qualität)

  • Patientenzufriedenheit (Qualität)

  • Anzahl der Patienten (Quantität)

  • Anzahl der Aufträge/Einsätze (Quantität)

  • eingesparte Ressourcen (Quantität)

  • Wochenendarbeit

  • Teilnahme an Projekten, Qualitätszirkeln u. ä.

  • Rufbereitschaft

  • eigene Ideen umgesetzt

  • Kreativität

  • Einbringen in Teams, Sitzungen

  • Selbstständigkeit

  • Nachfragen bzw. eben kein Nachfragen

  • Qualität delegierter Aufgaben

  • kann Entscheidungen treffen bzw. kann keine Entscheidungen treffen

  • kann Entscheidungen nach Ansage treffen

  • Ergebnissen

  • Zufriedenheit der Patienten

  • Güte der Arbeit (Fehlerquote, Schäden

  • Verhalten bei Kritik

  • Verhalten bei Beschwerden

  • Verhalten im täglichen Umgang

     

  • Freundlichkeit

  • Benehmen

  • Fairness, Einhalten von Regeln u. a.

Für jedes Kriterium wird anschließend definiert, wann eine

 

  • überdurchschnittliche,

  • gute,

  • durchschnittliche und

  • unterdurchschnittliche

Leistung erreicht wurde und wie jedes Kriterium zu gewichten ist.

Beurteilung leistungsschwacher Mitarbeitenden

Unterdurchschnittliche bis schlechte Leistungen können nicht akzeptiert werden, daher ist vorher zu klären, ab wann diese Grenze nach unten erreicht wird und wie die Führungskraft darauf reagieren soll. So wird generell von einer 1/3-Regel ausgegangen: Fällt ein/e Mitarbeitende/r unter dieses Soll, so sind spätestens jetzt Maßnahmen zu ergreifen. Dazu sollte der Leistungsabfall bereits dokumentiert und beurteilt worden sein.

 

Mögliche Reaktionen können sein:

  • Kritikgespräch mit anschließender Zielvereinbarung hin zu einem durchschnittlichem Niveau

  • arbeitsrechtliche Konsequenzen (Stichwort Leistungsverweigerung, Schlechtleistung)

 

Auf der anderen Seite sollte auch geklärt werden, wie mit überdurchschnittlichen Leistungen umgegangen werden soll.

 

Eine weitere Schwierigkeit bei Beurteilungen ist die sprachliche Darstellung. Der eigentliche Sinn einer Beurteilung liegt in der Information darüber, wie der/die Mitarbeitende gesehen wird. Zum einen benötigen Mitarbeitende im Unternehmen diese Informationen. Dazu gehören Vorgesetzte sowie die Personalabteilung. Natürlich hat auch der Beurteilte selbst ein Anrecht darauf zu erfahren, wie er gesehen wird. Eine Form dieser Information ist das Arbeitszeugnis. Dazu mehr im folgenden Kapitel.

Zusammenfassung
Was Du Dir merken solltest
  • Der Halo-Effekt ist ein unbewusster, unvermeidbarer Vorgang der eigenen Psyche. Wahrnehmungsfehler sind daher menschlich, jedoch nicht immer zutreffend. Es ist daher wichtig, seinen ersten Eindruck zu hinterfragen. 

 

  • Je mehr die nach außen getragenen Eigenschaften unseren Persönlichkeitsmerkmalen entsprechen, desto weniger müssen wir unsere Rolle spielen und umso authentischer sind wir und “überzeugen” unsere Mitmenschen. 

 

  • Die Beurteilung von Mitarbeitenden sollten an verschiedene Merkmale gemacht werden, unter anderem die fachlichen Qualifikationen, Motivation sowie Verhalten gegenüber Kolleg/innen, Vorgesetzten und Außenstehenden.

Alles verstanden?

Zuletzt erwarten Dich nur noch ein paar abschließende Fragen, welche entweder eine oder mehrere richtige Antworten beinhalten können. Du kannst Dir dabei so viel Zeit lassen, wie Du möchtest. Im Notfall können die Fragen auch wiederholt werden. Viel Erfolg!

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