SIS ist kein “Formular”, sondern ein wissenschaftsbasiertes Konzept zum Einstieg in den Pflegeprozess und dient als Problemslösungs- und Entscheidungsinstrument.
Eingebunden werden Bewohner und/oder Angehörige sowie angrenzende Berufsgruppen.
Alle Felder werden bei jedem Bewohner/Klienten und jeder Bewohnerin/Klientin ausgefüllt.
Ich-Perspektive des/der zu Pflegenden berücksichtigen -> “O-Ton”
Es erfolgt eine individuelle, situationsgerechte Erfassung und Beschreiben
Fähigkeiten stehen dabei im Vordergrund: Was kann der Mensch selbstständig? (Berücksichtigung fähigkeitsbezogener Pflegebedürftigkeitsbegriff)
Biografische Vorlieben, Abneigungen, Gewohnheiten werden berücksichtigt!
Sonstige wichtige biografische Informationen fließen direkt in die SIS ein.
Felder
Feld A: Stammdaten Stammdaten bringen u.a. durch die Unterschrift des/der zu Pflegenden (oder Angehörigen) den Verständigungsprozess zum Ausdruck.
Feld B: Einstiegsfrage Was bewegt Sie im Augenblick? Was brauchen Sie? Was können wir für Sie tun? 🡪 Es wird die wörtliche Aussage des/der zu Pflegenden aufgeschrieben (“narrative Erzählweise”) und ggf. durch Aussagen von Angehörigen erweitert. Wenn eine zu pflegende Person keine verbale Aussage mehr machen kann, werden Beobachtungen formuliert sowie Aussagen von Angehörigen.
Feldfrage C1: Die 6 Themenfelder der SIS a) Kognitive und kommunikative Fähigkeiten b) Mobilität und Beweglichkeit c) Krankheitsbezogene Anforderungen und Belastungen d) Selbstversorgung e) Leben in sozialen Beziehungen f) Haushaltsführung. Vier Varianten: 1. Wohnen/Häuslichkeit (stationär); 2. Haushaltsführung (ambulant); 3. Wahrung der Individualität während des Aufenthaltes/erste Einschätzung zur weiteren Versorgung nach der Kurzzeitpflege; 4. Erhalt / Förderung von Alltagsfähigkeiten bzw. Sicherstellung von Rückzugsbedürfnissen (Tagespflege)
Feldfrage C2: Die Risikomatrix Erste fachliche Einschätzung der für die Pflege und Betreuung relevanten Risiken und Phänomene • Dekubitus • Sturz • Inkontinenz • Schmerz • Ernährung • Sonstige 🡪 Weitere Erklärungen dazu in Punkt “Ausfüllen der Risikomatrix”
Für den Gesprächsverlauf gibt es zu jedem Themenfeld Leitfragen und Leitgedanken, die der Pflegefachkraft eine Orientierung bieten, welche Informationen in den Themenfeldern zu dokumentieren sind. Während die Leitfragen verbindlich festgelegt wurden, sind die Leitgedanken in den Pflegeeinrichtungen bei Bedarf entsprechend für die Pflegefachkräfte einrichtungsspezifisch anzupassen oder auszubauen.
Fachliche Situationseinschätzung
Zur fachlichen Situationseinschätzung werden im Rahmen der Themenfelder folgende Perspektiven berücksichtigt:
Eigenwahrnehmung
Perspektive / Sichtweise der pflegebedürftigen Person
Beispiel Frau Weber, Themenfeld 1: Kognitive und kommunikative Fähigkeiten
Perspektive der zu Pflegenden: “Meine Tochter kümmert sich so gut sie kann um mich, sie hat ja so viel um die Ohren” – “Ich möchte ihr und ihrer Familie nicht zur Last fallen, irgendwie komme ich zurecht manchmal fühle ich mich sehr einsam am Tag, und abends ziehe ich mich zurück, damit die Familie meiner Tochter Zeit für sich hat” – “So ist das, wenn man alt und krank ist.”
Pflegefachliche Perspektive: – Frau W. ist zu ihrer Person orientiert und sie erkennt ihre vertrauten Personen, z.B. ihre Tochter und ihre Familie. – Sie ist sowohl örtlich als auch situativ orientiert und schätzt ihre Lebenssituation realistisch ein. – Ihren Tagesablauf kann Frau Weber nach Angaben ihrer Tochter nicht mehr vollumfänglich strukturieren. – Bedingt durch die veränderte Lebenssituation und den zunehmenden körperlichen Einschränkungen ist Frau Weber sehr traurig und zieht sich zurück. Das Sprechen fällt ihr immer noch sehr schwer und sie muss sich sehr konzentrieren. Sie erhält seit einem Jahr 2 x wöchentlich Logopädie in ihrer Häuslichkeit.
Verständigungsprozess: – Angebote zur Alltagsgestaltung/Tagesstrukturierung und zu gemeinsamen Aktivitäten mit den anderen Bewohnerun auf dem Wohnbereich. – Logopädie 2 x in der Woche – Selbstübungen zur Sprachförderung
Ausfüllen der Risikomatrix
Die Risikomatrix hat die Funktion einer fachlichen “Befunderhebung” und erfordert je nach Ergebnis zusätzlich eine Entscheidung zum weiteren Vorgehen.
Dabei werden pflegerische Probleme der pflegebedürftigen Person nicht mehr isoliert, sondern im Hinblick auf ihre Gesamtsituation (im Überblick) wahrgenommen und eingeschätzt.
Es kommt ein systematisches Ankreuzverfahren zum Tragen.
Das sogenante Initialassessment ist die Einschätzung zur individuellen Abwehr gesundheitlicher Risiken zu Beginn einer Pflegeübernahme. Sie erfolgt immer auf Grundlage der Erkenntnisse aller Felder der SIS.
Ausfüllvarianten der Risikomatrix
Ausfüllvariante A
Risikomatrix wird je Themenfeld von links nach rechts ausgefüllt. Es werden nacheinander die Informationen pro Themenfeld in Verbindung mit den Risiken/Phänomenen Dekubitus, Sturz, Inkontinenz, Schmerz und Ernährung fachlich bewertet und entsprechend mit ja oder nein angekreuzt.
Ausfüllvariante B
Risikomatrix wird je Risiko/Phänomen von oben nach unten ausgefüllt. Ausgehend von dem jeweiligen Risiko/Phänomen werden die Informationen hierzu aus jedem der Themenfelder fachlich bewertet und entsprechende mit ja oder nein angekreuzt.
Die Pflegekraft fragt sich
Ergeben sich aufgrund der dokumentierten Aussagen in einem Themenfeld Hinweise auf ein Risiko? Besteht Handlungsbedarf zur Abwehr oder Minimierung von Risikofaktoren?
Falls nein: Die Einschätzung ist abgeschlossen.
Falls ja: Ist eine weitere Einschätzung notwendig?
Falls nein: Die Pflegefachkraft plant direkt entsprechende Maßnahmen, da aus ihrer Sicht hierfür ausreichende Informationen aus der SIS einschließlich der Risikomatrix vorliegen.
Falls ja: Die Pflegefachkraft entscheidet wodurch die weitere Einschätzung erfolgen soll, z.B. befristete Beobachtungsphase oder weitere Fachexpertise. Je nach Entscheidung findet sich das Ergebnis im Maßnahmeplan wieder.
Eine Veränderung (akut oder schleichend) oder Fehleinschätzung der erfolgten Situationseinschätzung ist frühzeitig erkennbar durch die Konzentration auf Abweichungen im Berichteblatt und sich häufenden Änderungen geplanter Maßnahmen.
In der Folge findet eine erneute Einschätzung der Situation mittels Evaluation statt und je nach Ergebnis ist eine Anpassung des Maßnahmeplanes, mitunter sogar auch die Neuerstellung der SIS erforderlich.
Plausibilitätscheck der Risikomatrix mit den ThemenfeldernEs ist wichtig, zum Abschluss des Gesprächs und/oder beim Ausfüllen der SIS alle Felder kritisch durchzugehen und zu überprüfen, inwieweit die Informationen in den einzelnen Themenfeldern fachlich und schlüssig zugeordnet sind und mit den Informationen in der Risikomatrix und/oder denen der pflegebedürftigen Person korrespondieren. Darüber hinaus kann anhand der Risikomatrix ein Plausibilitätscheck aller erfassten Informationen in der SIS zur eigenen Überprüfung der Dokumentationsqualität, zur Vollständigkeit und Verständlichkeit der Angaben, durchgeführt werden.
Flussdiagramm Entscheidungshilfe zur Bestimmung der Risiken
Zusammenfassung
Was Du Dir merken solltest
Die SIS umfasst die Dokumentation unterschiedlicher Fähigkeiten der zu pflegenden Person. Vorlieben Abneigungen und Gewohnheiten werden ebenfalls erfasst.
Die Pflegehilfskraft hält in der SIS vier Felder fest: Stammdaten, Einstiegsfragen, sechs Themenfelder und eine Risikomatrix.
Zur fachlichen Situationseinschätzung wird die eigene Perspektive, die der pflegebedürftigen Person und die pflegefachliche Sicht berücksichtigt.
Die Risikomatrix dient dem Überblick der Gesamtsituation. Probleme werden nicht mehr isoliert betrachtet.
Mithilfe der Risikomatrix können Risikofaktoren und Handlungsbedarf identifiziert werden. Je nach Entscheidung plant die Pflegefachkraft entsprechende Maßnahmen, die aus ihrer Sicht angemessen sind.