Behinderung und Heilpädagogik

Wann hat man eine Behinderung?

> Ich finde mich nicht gut.
> Ich kenne mehr Schwächen als Stärken an mir.
> Ich bin unzufrieden mit meinem Aussehen, meinem Job, meinem Leben.
> Die anderen sind alle besser als ich.
> Ich wüsste nicht, warum man mich lieben sollte.
> Ich müsste noch viel an mir ändern, um mich zu mögen.
> Ich fühle mich häufig einsam und alleingelassen.
> Ich brauche das Gefühl, von anderen gemocht zu werden.
> Ich versuche, es möglichst vielen recht zu machen.
> Wenn ist kritisiert werde, nehme ich das in der Regel persönlich.
> Wenn mir jemand ein Kompliment macht, ist mir das peinlich.
> Ich hadere oft mit mir selbst.
> Ich bin mein schärfster Kritiker.
> Wenn ich Fehler mache, ist das ganz schlimm für mich.
> Ich habe Angst davor, dass ich nicht gut genug bin.
> Ich bin einfach zu unwichtig.
> Hoffentlich merkt niemand, dass ich nichts kann.
> Wenn ich mich mit anderen vergleiche, schneide ich meist schlechter ab.
> Ich kann mich einfach nicht loben.
> Ich bin oft ungeduldig und unnachsichtig mit mir.

Selbstannahme & Selbstwert

 

Was, wenn du richtig bist, wie du bist?

Wann hat man eine Behinderung?
  • Seit Januar 2018 gilt eine neue Definition des Begriffs „Behinderung“. Danach ist nicht entscheidend, ob undinwieweit der Mensch „funktioniert“. Behindert ist ein Mensch vielmehr, wenn ihn gesellschaftlicheRahmenbedingungen behindern.

  • Behinderung galt lange Zeit als medizinische Tatsache. Irgendetwas funktioniert bei einem Menschen „nicht richtig“. Weil ihm etwa ein Bein fehlt, kann er nicht an allem teilhaben, was ein „normaler“ Mensch so treibt. Das Bundessozialgericht hat dafür den Begriff „Funktionsbeeinträchtigung“ geprägt. Wegen dieser Beeinträchtigung ist der Betroffene gehindert, vollständig am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Er benötigt deshalb Hilfen, durch die er in die Gesellschaft integriert werden kann.

  • Behinderung ist keine Eigenschaft eines Menschen, sondern hat mit Ausgrenzung zu tun.

  • Behinderung ist vielmehr etwas, was damit zu tun hat, wie Menschen in der Gesellschaft zusammenwirken. Dabei geht es nicht nur um Barrieren wie Treppen oder zu hohe Bordsteine. Es geht insbesondere auch um den Umgang miteinander. Um Vorurteile und überholte Vorschriften.

  • Die WHO hat bereits 2002 den Begriff der Behinderung neu bestimmt. Behindert ist gemäß der internationalen Klassifikation (ICF) nicht mehr, wer körperlich oder psychisch eingeschränkt ist, sondern wer durch die Einschränkung im sozialen Kontext behindert wird.

  • Seit 2018 gilt auch in Deutschland der internationale Behinderungsbegriff (SGB IX)

Rede Weizsäcker (Auszug) 01.07.1993 Eröffnung Tagung Bundearbeitsgemeinschaft „Hilfen bei Behinderung“

„Was wir zu lernen haben, ist so schwer und doch so einfach und klar: Es ist normal,
verschieden zu sein.“

  • es gibt keine Norm für das Menschsein, manche sind blind oder taub, andere haben Lernschwierigkeiten, geistige oder körperliche Behinderung – jedoch gibt es auch Menschen ohne Humor oder ewige Pessimisten

  • Behinderung wird benachteiligt und diese Benachteiligung muss überwunden werden Damals wie Heute ist dies Thema

  • Behinderte Menschen sind keine Randgruppe, es kann jeden treffen 96% werden im Laufe des Lebens „behindert“

  • Jeder hat das Recht Emotionen wie Wut oder Enttäuschung zu fühlen und zu zeigen

  • Integration ist erst erreicht, wenn wir Freude und Dankbarkeit, Kummer und Sorgen unabhängig davon ausdrücken können, ob wir oder die Gesprächspartner Menschen mit oder ohne Behinderung sind.

Die Gesellschaft braucht die Talente vieler Menschen, die lange Zeit ausgegrenzt waren…
Es geht darum Barrieren, die gar nichts mit Talent und Neigung zu tun haben, zu beseitigen. Nicht der Mensch funktioniert nicht richtig und muss in die Gesellschaft eingegliedert werden. Die Gesellschaft darf nicht Menschen ausschließen, weil sie nicht einer Norm entsprechen, die die Gesellschaft selbst bestimmt.

Definitionen von Behinderung

Sozialrechtliche Definition in Deutschland

Im bundesdeutschen Recht wird die Behinderung im Sozialgesetzbuch IX (dort: § 2 Absatz 1), so definiert: Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist.

Die Definition von Behinderung nach der Weltgesundheitsorganisation

die WHO unterscheidet drei Begrifflichkeiten:

  • Aufgrund einer Erkrankung, angeborenen Schädigung oder eines Unfalls als Ursache entsteht ein dauerhafter gesundheitlicher Schaden – impairment

  • Der Schaden führt zu einer funktionalen Beeinträchtigung der Fähigkeiten und Aktivitäten des Betroffenen – disability

  • Die soziale Beeinträchtigung ist Folge des Schadens und äußert sich in persönlichen, familiären und gesellschaftlichen Konsequenzen – handicap

Die Definition der United Nations (UNO)

Die Weltorganisation UNO definiert „Behinderung“ in der Behindertenrechtskonvention, indem sie die drei Aspekte der WHO aufgreift und weiterentwickelt.

„Die Behinderung eines Menschen wird in der Konvention nicht als feststehender Zustand, sondern als ein sich ständig weiterentwickelnder Prozess beschrieben, der sich nachteilig auswirkt, wenn Menschen mit Beeinträchtigungen (Beispiele: Schädigung körperlicher Organe, Blindheit, Gehörlosigkeit, Lernstörungen) auf einstellungs- und umweltbedingte Barrieren stoßen, die sie an der vollen, wirksamen und gleich berechtigten Teilnahme am gesellschaftlichen Leben hindern.“ (Deutsche Behindertenhilfe, Aktion Mensch e.V., 2007)

Zudem liegt der Konvention „ein Verständnis von Behinderung zugrunde, das jede Form körperlicher, seelischer, geistiger oder Sinnesbeeinträchtigung als normalen Bestandteil menschlichen Lebens und menschlicher Gesellschaft ausdrücklich bejaht und darüber hinaus als Quelle möglicher kultureller Bereicherung wertschätzt („diversity-Ansatz“). Menschen mit einer Behinderung sollen selbstverständlich mit allen anderen leben und sich zugehörig fühlen können.“ (Wikipedia)

Altern mit Behinderung
  • In Behindertenheimen kommt es immer mehr zu Pflege, weil die Menschen immer älter werden

  • Durch die Euthanasie (euphemistischer Begriff für Verwaltungsmassenmord an behinderten Menschen) von 1933 – 1945 gab es in der Vergangenheit wenig ältere behinderte Menschen

  • In der Vergangenheit wurde den Menschen mit Behinderung oft das Erwachsen sein abgesprochen, aber auch Sie erleben eine Kindheit, Jugend, Erwachsenen- und Alterszeit

  • Dadurch entstehen Ihnen auch Probleme im Alter wie:

    > Vereinsamung und Isolierung (Familienmitglieder/Freunde, dadurch auch     
        rechtliche Bevollmächtigte und ehrenamtlicher Betreuer versterben)
    > Verlust der gesellschaftlichen Anerkennung (Arbeitsplatzverlust, Identität geht 
        verloren)
    > Einschränkung materieller Möglichkeiten (reduziertes Einkommen)
    > Körperlicher und geistiger Abbau
    > Stärkere Abhängigkeit von Helfern (körperlicher und geistiger Abbau)
    > Reizarmut (fast nur auf sein Wohnfeld beschränkt)
    > Angst vor der Zukunft und Angst vor dem Sterben

Aufgaben der Heilpädagogik und der Pflege
  • Möglichkeit zur Begegnung schaffen

  • Neubestimmung der Identität

  • Neubestimmung der individuellen Werte (Natur genießen ohne große materielle Möglichkeiten)

  • Anpassung an die körperliche und geistige Veränderungen

  • Schaffung eines zweiten Lebensbereiches (Tagesstätte anbieten)

  • Verbindung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ermöglichen

  • Heilpädagogik soll auch bei Erwachsenen/älteren Behinderten eine „Eingliederungshilfe“ in den neuen Lebensabschnitt beinhalten.

Zielgruppen der Heilpädagogik
  • Kinder und Jugendliche mit Behinderung

  • Erwachsene (und alte) Menschen mit Behinderung

  • Menschen mit seelischer Belastung bzw. Verletzung

  • Kinder und Jugendliche mit Erziehungsproblematik

Kinder und Jugendliche mit Behinderung
  • Im Mittelpunkt der Handlung stehen die Förderung, Erziehung und Bildung behinderter bzw. von Behinderung bedrohter Säuglinge, Kleinkinder, Schulkinder und Jugendlicher.

  • Enge Zusammenarbeit mit Ärzten, Eltern und Lehrern

  • Möglichkeiten und Grenzen des Kindes müssen rauskristalisiert werden, um ein individuelles Förderungs- und Unterstützungskonzept zu erstellen

  • Heilpädagogische Förderkonzepte spielen eine große Rolle zum Beispiel: Entwicklungs- Sprach-, Wahrnehmungsförderung, motorische Förderung, emotionale Förderung und soziale Förderung.

  • Die Förderungsarbeit soll vordergründig in sinnvolle Alltagssituationen integriert werden

Erwachsene (und alte) Menschen mit Behinderung
  • Im Mittelpunkt steht die Unterstützung von erwachsenen Menschen mit Behinderung bei der Alltagsbewältigung im Kontext des Wohnens und Arbeitens, sowie anderen alltäglichen Verrichtungen und Lebensaufgaben.

  • Heilpädagogen müssen eng mit den Verwandten bzw. Betreuer arbeiten

  • Wo Krankheit und organische Problematik im Spiel sind, da ist auch medizinische Versorgung notwendig –> benötigen medizinische Kenntnisse

  • Es erfolgt eine Bestandsaufnahme der Fähigkeiten, Fertigkeiten, aber auch der Möglichkeiten und Grenzen der eigenständigen Alltags- und Lebensbewältigung jedes Einzelnen

  • Dazu benötigt man wiederum spezifische Erhebungsmittel

  • Die individuelle Alltagsunterstützung kann folgende Formen haben: ersetzende Hilfe, Hilfe zur Selbsthilfe oder Hilfe zur Durchsetzung eigener Bedürfnisse und Rechte.

Menschen mit seelischer Belastung bzw. Verletzung
  • Im Mittelpunkt steht die Behandlung und Erziehung von Menschen – Kindern und Jugendlichen sowie Erwachsenen, deren individuelle und soziale Entwicklung unddamit auch das alltägliche Leben durch beeinträchtigende Folgen von langandauernder seelischer Belastung/Verletzung gestört sind.

  • Neben Seelische Belastung als Begleitphänomen von organischen Schädigungen und Behinderungen wirken seelisch verletzend auch Traumata

  • Seelische Belastungen bzw. Verletzungen können sein: Misshandlung, Missbrauch, Vernachlässigung, psychische Störung, eingeschränkte Kommunikationsfähigkeit bzw. Kommunikationsmöglichkeit sowie körperliche-seelische Abbauprozesse mit Verwirrungsfolge und/oder Vereinsammungsfolge

  • Hier benötigt der Heilpädagoge Kenntnisse im Bereich Psychologie und sozialer Medizin

  • Eine Diagnose wurde durch den ICD-10 festgelegt (“International Statistical
    Classification of Diseases and Related Health Problems“), Grundlage auch für
    pflegerisches Handeln mittlerweile wird der ICF genutzt, dieser ist genauer und
    individueller (beinhaltet ICD-10)

  • Um Erziehungs- und Behandlungskonzepte zu erstellen benötigt man eine gute
    Anamnese, Biographiearbeit und Beobachtungsgabe/Krankenbeobachtung

Kinder und Jugendliche mit Erziehungsproblematik
  • Im Mittelpunkt steht die Erziehung und heilpädagogische Behandlung von Kindern und Jugendlichen, die von ihrer sozialen Umwelt als schwer erreichbar für erzieherische Einflussnahem erlebt werden.

  • Hier benötigt der Heilpädagoge Kenntnisse in den Gebieten der Entwicklungs-, Persönlichkeits-, und Sozialpsychologie, aber auch der Soziologie und Sozialpolitik

  • Sie müssen eng mit den Eltern, Lehrer, Psychologen, Kinder- und Jugendpsychiater, Mitarbeiter des Jugendamtes usw. arbeiten

  • Er schöpft aus folgenden methodischen Quellen: reformpädagogische Prinzipien

Zusammenfassend kann man über alle Zielgruppen der Heilpädagogik sagen, dass eine gute Anamnese, Biografiearbeit, Beobachtungsgabe und Zusammenarbeit mit Bezugspersonen, sowie Ärzten unumgänglich ist, um eine adäquate Behandlung zu leisten.

Pflegemodelle
Die gebräuchlichsten Pflegemodelle
  • Sr. Liliane Juchli (ATL)

  • Prof. Monika Krohwinkel (AEDL)

  • Virginia Henderson (Grundbedürfnis) – als Beispiel

  • Nancy Roper (Lebensaktivitäten)

  • Dorothea Orem (Abhängigkeiten)

  • Elisabeth Beikirch (SIS – Strukturierte Informationssammlung)

Virginia Henderson „Professionelle Pflege ist notwendig, um Pflegemodelle in die Praxis umzusetzen.“
  • 1897-1996, in Kansas City geboren

  • 1921 Krankenpflegeausbildung und Arbeit in der psychiatrischen

  • Pflege, Kinderkrankenpflege und ambulanten Krankenpflege

  • Studium und Lehrtätigkeit an der Columbia Universität

  • bereits 1939 Herausgabe des Lehrbuches „Principes and Practices of Nursing“

  • 1958 Veröffentlichung der „Grundprinzipien der Krankenpflege“

  • definiert erstmals 1966 die Pflege als einen von der Medizin unabhängigen Beruf

Grundprinzipien der Krankenpflege

  1. Normal atmen

  2. Ausreichend essen und trinken

  3. Abfallprodukte des Körpers ausscheiden

  4. Sich bewegen, an der Körperhaltung arbeiten

  5. Schlafen und ruhen

  6. Passende Kleidung aussuchen, sich an- und ausziehen

  7. Körpertemperatur im Normalbereich halten

  8. Körper reinigen und pflegen, die Haut schützen

  9. Selbstgefährdung und Gefährdung anderer vermeiden

  10. Durch Äußerung von Gefühlen, Bedürfnissen und Ängsten mit anderen kommunizieren

  11. Sich entsprechend seiner Religion betätigen

  12. So arbeiten, dass man das Gefühl der Erfüllung hat

  13. Spielen oder an verschiedenen Formen der Erholung teilnehmen

  14. Lernen, entdecken oder die Neugier befriedigen

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