Grundsätzliches & Wundheilungsphasen

§ 112 SGB XI – Grundsätze

Die zugelassenen Pflegeeinrichtungen sind verpflichtet:

  • Maßnahmen der Qualitätssicherung sowie ein Qualitätsmanagement nach Maßgabe der Vereinbarungen nach § 113 durchzuführen

  • Expertenstandards nach § 113a anzuwenden

  • sowie bei Qualitätsprüfungen nach § 114 mitzuwirken

Begriffserläuterung & Klassifizierung

„Eine Wunde ist ein durch Zellschädigung, Zerstörung oder Trennung von Körpergewebe bedingter pathologischer Zustand, oft verbunden mit einem Substanzverlust sowie einer Funktionseinschränkung.“

o jede Verletzung der Haut geht Verlust der natürlichen Schutzfunktion einher > Infektionsgefahr


o akute Wunden: durch äußere, direkte Einflüsse, welche innerhalb kurzer Zeit, ohne Therapie & Komplikationen abheilen


o chronische Wunden: keine Heilungstendenzen bei sach- & fachgerechter Therapie und unter Berücksichtigung der Grunderkrankung ab einem Zeitraum von 4 – 12 Wochen (häufigste Grunderkrankungen: chronisch-venöse Insuffizienz, pAVK, Diabetes mellitus)


o grundsätzlich gilt: ohne Therapie der Grunderkrankung – keine Abheilung der Wunden


o Diagnosestellung nur mithilfe ausführlicher Anamnese

Aspekt

Akute Wunden

Chronische Wunden

Entstehung

– Äußere Einflüsse: Mechanisch, thermisch, chemisch, iatrogen, Strahlen

– Äußere Einflüsse: Mechanisch, thermisch, chemisch, iatrogen, Strahlen

 

– Innere Einflüsse: Durchblutungsstörungen, insuffiziente Venenklappen, Diabetes mellitus, Dekubitus

– Innere Einflüsse: Durchblutungsstörungen, insuffiziente Venenklappen, Diabetes mellitus, Dekubitus

Dauer bis zur Wundheilung

10 – 14 Tage

Länger als 12 Wochen

Therapie

Je nach Wundbefund (Aussehen & Ursache der Wunde)

Kausale Therapie ergibt sich unter Berücksichtigung der Grunderkrankung

Art der Wundheilung

Primär (direktes Zusammenwachsen der Wundränder)

Sekundär (Wundränder klaffen auseinander, sind nicht glatt, Wunde füllt sich vom Wundgrund mit Granulationsgewebe)

Keimbesiedelung

Wenig/Keine (OP-Wunden)

Oft kritisch kolonisiert oder infiziert > Wundheilungsstörung

Narbenbildung

Keine/kaum auffällige Narben

Auffällig & gut sichtbare Narben

o mechanische Wunden: Platz-, Schnitt-, Quetsch-, Riss-, Stich-, Ablederungs-, Schürf-, Kratz-, Schuss-, Bisswunden & Pfählungsverletzungen


o thermische Wunden: entstehen durch Verbrennungen, Verbrühungen, Erfrierungen


o chemische Wunden: durch Einfluss von Chemikalien (Säuren & Laugen) > Verätzungen


o strahlenbedingte (aktinische) Wunden: Einwirkung von radioaktiven Substanzen oder UV-Strahlung


o iatrogene Wunden: durch operative, diagnostische & therapeutische Eingriffe, welche bewusst und unter sterilen Bedingungen durch einen Arzt hervorgerufen werden

Verantwortlichkeiten
  • Wundversorgung = ist Teil der medizinischen Behandlungspflege

  • Arzt/Ärztin ist im Rahmen der Heilkunde mit universaler Kompetenz ausgestattet

  • Arzt/Ärztin trägt Diagnose- & Anordnungsverantwortung, ihm/ihr obliegt zudem die Therapieentscheidung (und  deren Delegation an Pflegefachkräfte > Delegationsbefugnis)

  • Pflege(fach)kraft ist nicht befugt die ihr delegierte Aufgabe ohne Zustimmung des Arztes an Dritte  weiter zu delegieren oder eigenmächtig über Wundtherapie zu entscheiden

  • Arzt/Ärztin besitzt Überwachungsverantwortung (Aufsicht & Kontrolle der delegierten Person)

  • Pflege(fach)kraft muss informell & materiell zur Durchführung qualifiziert und in der Lage sein, die ihr übertragene Aufgabe gewissenhaft auszuführen (Durchführungsverantwortung)

  • Übernahme von Tätigkeiten unterliegen der kritischen Bewertung der Pflege(fach)kraft, wenn die  delegierte Aufgabe den Strafgesetzen zuwiderläuft (Remonstrationsrecht)

  • Krankenkassen, Versicherte & Arzt/Ärztin unterliegen dem Wirtschaftlichkeitsprinzip – § 12 SGB V

  • Wundversorgung muss den allgemein anerkannten Erkenntnissen der Medizin entsprechen &  medizinischen Fortschritt berücksichtigen – § 2 SGB V

  • Arzt/Ärztin orientiert sich an den „Richtlinien zur häuslichen Krankenpflege“ (kurz: „HKP – Richtlinie“)

  • im Rahmen der häuslichen Krankenpflege (§ 37 SGB V) ist Wundversorgung Bestandteil  verschiedener Behandlungs- oder Leistungskomplexe

  • Erstverordnung gilt für längstens 14 Tage und kann im Bedarfsfall verlängert werden

  • (rezeptierte) Verbandmittel = Medizinprodukte, dürfen nicht eigenmächtig ausgetauscht werden > bei  Bedarf Rücksprache mit Arzt/Ärztin + erneute Unterschrift & Datumsangabe

Einflüsse der Wundheilung

lokale Einflussfaktoren:

o Infektionen, Fremdkörper, Wundbeläge, Nekrosen, Fibrin, Hämatome, Lokalisation (Gelenknähe =  mangelnde Ruhigstellung / Analbereich = hohe Infektionsgefahr), Ödeme, Wundausmaß (Entstehung,  Wundgröße & -tiefe), Beschaffenheit von Wundrand & -umgebung, Alter der Wunde,  Temperaturschwankungen (Mitose bei 28°C), Wunde zu trocken, Druck, Hypergranulation, fehlende  Wundruhe, Lokaltherapie (obsolete Wundbehandlung, Exsudat-Management), traumatischer &  unsteriler Verbandswechsel

systemische Einflussfaktoren:

o Lebensalter, Medikamente (Zytostatika, Glukokortikoide), Allgemeinzustand (Immobilität), mangelnde  Flüssigkeitszufuhr, Vitaminstatus (Vitamin C), Eiweiß, Zink, Schmerzen (führen zu  Bewegungseinschränkungen), Ernährungszustand (Adipositas, Kachexie), Immunstatus,  Grunderkrankungen (pAVK, Diabetes mellitus, Tumorerkrankungen etc.), psychosoziale Situation  (fehlende oder geringe Compliance, Alkoholabusus, Drogenkonsum)

Kardinalsymptome:

  • Rötung (Rubor), Schwellung (Tumor), Erwärmung (Calor), Schmerz (Dolor),  Bewegungseinschränkung (Functio laesa)

Begleitsymptome:

  • vermehrte Exsudatmenge, Störung des Wundheilungsprozesses, Geruchsentwicklung, Verfärbung der Wunde, Fieber, Blutungsneigung, Vermehrung der Wundbeläge (Fibrin, Biofilm)

—> Wundabstrich ist stets empfohlen

Keime - Kolonisationsgrade
  • Reihenfolge der Verbandswechsel nach Kolonisationsgraden einhalten > Vermeidung von  Keimverschleppung

  • erst nach Beseitigung der Infektion ist Wundheilung möglich

Wundheilungsphasen
  • biologischer Prozess, welcher bei Verletzung automatisch in Gang gesetzt wird

  • Wundheilungsphasen laufen stets gleich ab (unabhängig von akut oder chronisch)

  • Organismus ist bestrebt Hautdefekte bzw. Wunden umgehend zu schließen, um Schutzfunktion der  Haut wiederherzustellen

  • chronisch: aufgrund der Grunderkrankung ist Organismus nicht imstande Hautdefekte bzw. Wunden  allein zu verschließen > Heilungsphasen deutlich langsamer als bei akuten Wunden (Wochen,  Monate, Jahre)

  • chronisch: mehrere Heilungsphasen zeitgleich möglich

  • Wunde ist stets phasengerecht zu behandeln

1. Reinigungs- und Exsudations- / Inflammationsphase:
  • Ausschwemmung von Bakterien und Zelltrümmern

  • Engstellung der geschädigten Gefäße durch körpereigene Substanzen (Vermeidung von  weiterem Blutverlust)

  • Aktivierung des Gerinnungssystems

  • Bildung eines Fibrinnetzes

  • akute Wunden: Vorgang in der Regel nach ca. 3 Tagen abgeschlossen

2. Granulations- und Profilerationsphase
  • Gefäß- bzw. Gewebeneubildung vom Wundgrund zur Kompensation von Substanzverlusten

  • typisches Wunderscheinungsbild durch Ansammlung von Kapillaren (Gewebe gut  durchblutet, tiefrote Färbung, gekrönt, feucht glänzend)

  • Granulationsgewebe gleich dem Aussehen nach einer Himbeere

  • neu gebildete Kapillaren sehr empfindlich > besonders atraumatische Behandlung notwendig

  • Gewebe sollte mit geeigneten Wundauflagen geschützt und feucht gehalten werden

3. Regenerations- und Epithelisierungsphase
  • Wunde kontrahiert sich und wird zunehmend kleiner

  • Epithelzellen bilden sich vom Wundrand ausgehend

  • Bildung von faserreichem Narbengewebe durch Umwandlung des Granulationsgewebes

  • Wunde verschließt sich

  • Narbengewebe flacht im weiteren Verlauf etwas ab (weißliche Färbung)

Wundheilungsstöruingen
  • Hämatom: bei längerer Nachblutung bildet sich ein Bluterguss im Wundbereich > Wundspalt  vergrößert sich, Wundregion schwillt an und schmerzt – Wundheilung ist gestört

  • Wundinfektion: Keimbesiedelung im Wundgebiet, welche u.a. klassische Entzündungszeichen  hervorruft

  • Wundrandnekrose: meist bei zerfetzten Wunden – größere Nekrosen werden durch Abtragung  entfernt, da diese ein Nährboden für Bakterien bilden und somit Wundinfektionen begünstigen –  Nekrektomie (Nekrose-Abtragung) begünstigt Wundheilung, d Granulationsgewebe schneller  ausgebildet werden kann

  • Wunddehiszens: Auseinanderweichen von Wundrändern (“Aufplatzen“ der Wunde) von primär  verschlossenen Wunden – durch Hämatome oder Wundinfektionen entsteht hohe Spannung  zwischen den Wundrändern

 

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